Mittwoch, 25. Juni 2008

Port William — Portree

Schön war es, mal etwas länger zu schlafen! Dafür war mein Frühstück leider nicht so dolle: Das schöne schottische Frühstück schwamm in einer fettigen Wasserlache. Die kalten Toasts hingegen waren wie immer in Ordnung. Als wir vom Frühstück dann zum Zimmer zurückgingen, sahen wir, dass der Regen in den Pfützen Blasen schlug. Darum zogen wir die Rucksackkondome auf, beluden und mit dem Gepäck und checkten aus. Draußen angekommen nieselte es nicht einmal mehr.

Gemütlich latschten wir durch die Fußgängerzone und betraten die Toursitinformation, auf der generellen Suche nach nicht Bestimmtem, jedoch mit der Idee im Hinterkopf, dass man ja – vielleicht im nächsten Jahr? – den Great Glen Way gehen könnte, der hier in Fort William startet und nach Inverness geht. Vor allem aber schauten wir nach Infos zur Insel Skye, denn dort wollten wir ja hin, und zwar nach Möglichkeit mit der Dampflok "The Jacobite", die auch in den Harry-Potter-Filmen digital verändert als "Hogward's Express" für Furore gesorgt hat. Als wir schließlich ohne Karten wieder auf die Straße traten, war da ein ganz süßer Hund mit einem pinkfarbenen Spielzeugring im Maul, mit dem wir unbedingt noch ein paar Minuten spielen und mit seinem Herrchen reden mussten ("If I got as much attention from the ladies as he, I could write a book about it"). Anschließend liefen wir ohne Eile, dafür mit besabberten Fingern in Richtung Bahnhof.

"Sag mal, ist das die Dampflok da hinten, da wo's so raucht?"
"Könnte sein. Die heizen aber bestimmt erst ein. Das braucht immer so lange."

Als wir die Bahnhofshalle von Fort William betraten, verließ "The Jacobite" gerade die Station. Kein Witz. Der nächste Dampfexpress, so erzählte uns die freundliche Wendy hinter dem Schalter, führe dann in 23 Stunden und 59 Minuten. Der nächste normale Zug nach Mallaig ginge um etwa 12:40 Uhr oder so – wir hatten es jetzt kurz nach 10. Also checkten wir erst einmal, ob und wann Busse nach Skye fuhren. Der nächste Bus sollte um 13:40 Uhr fahren, also noch einmal später. Aber wir rechneten mal kurz die beiden Optionen durch:

Der Bus geht direkt nach Portree, mit einer Wartezeit von etwa vier Stunden.
Eine Zugfahrt nach Mallaig bringt nur drei Stunden Warterei mit sich, dort allerdings muss man in die Fähre umsteigen (ungewisse Abfahrtzeiten) und auf Skye angekommen müsste man dann ebenfalls mit einem Bus weiter nach Portree.

Wir entschieden uns dafür, von Anfang an den Bus zu nehmen und setzten uns ins Café des Morrison's-Supermarkts direkt am Busbahnhof. Katja kaufte sich eine britische "InStyle"-Zeitschrift, die mit einer modischen Handtasche der Marke "Elizabeth Hurley" kam. Hätte sie die Cosmopolitan erworben, wären Flipflops dabei gewesen. Ich schrieb währenddessen wieder Tagebuch. Eine Arbeit, vor der sich Katja drückt, wohl, weil sie beruflich so viel zu schreiben hat, was?

Schließlich zogen wir aus lauter Langeweile los und erkundeten den Supermarkt, der die Größe eines kleinen Real-Marktes hatte. Unsere Rucksäcke konnten wir in riesige Schließfächer einschließen, die eigentlich für die vollen Warenkörbe gedacht sind. Da kann Mami also den Einkauf sicher aufbewahren und sich danach ins Café setzen. Schlaue Sache!

Im Endeffekt kauften wir uns ein paar Sandwiches, Kekse und Irn-Bru, den etwas anderen schottischen Nationalsoftdrink, ein knallorangenes Gebräu, das einem laut Reiseführer "beinahe den Schmelz von den Zähnen fräst". Tut es übrigens wirklich beinahe.

Als wir mit Sack und Pack in den wieder heftig eingesetzten Regen hinaustraten, war der Bus schon da. Unser Gepäck verschwand im Kofferraum, wir im Businnern. 22,50 Pfund pro Person von Fort William nach Portree auf Skye. Langsam wird unser Bargeld knapper – wir haben nur noch 150 Pfund.

Die Fahrt mit dem Bus war lang und zog sich. Wegen des wirklich fiesen Wetters hatten wir nur wenig schöne Aussichten, und wegen der Fahrweise des Fahrers vermissten wir auch die Fährfahrt von Mallaig nach Skye nicht – seekrank konnte man auch hier werden. Höhepunkt der Schaukelei war ein 15-Sekunden-Blick auf Eilean Donan Castle in Dornie, wo ein paar Szenen für den Film "Highlander" gedreht worden waren und das zugegebenermaßen wirklich pittoresk ist.

Kurz darauf fuhren wir über die vielleicht 500 Meter lange Brücke, die die kleine Insel Skye mit dem britischen "Festland" verbindet. Dann ging es weiter, meilenweit durch langweilige Regengüsse, die Skye in ödes Einerlei verwandelten. Tristesse heißt Skye. Was reden nur immer alle von den Wundern der Schönheit Skyes?

Endlich in Portree angekommen wandten wir uns schleunigst – es war schon reichlich spät – an das Toursitbüro, um eine zentrumsnahe Unterkunft zu bekommen. Bei einer Einwohnerschaft von 1.900 ist allerdings eigentlich alles zentrumsnah. Problematisch schien zu sein, dass wir uns für drei Nächte festsetzen wollten. Wendy hinter dem Tresen (heißen die Damen hinter einem Schalter alle Wendy?) telefonierte einige Unterkünfte ab und fand schließlich eine für uns, die allerdings "etwas auswärts" läge, ob wir damit einverstanden seien? Wir überlegten hin und her. Etwas außerhalb? Ja, das seien nur etwa 15 Minuten – aber mit Gepäck... Sie sprach noch einmal mit dem Gentleman am anderen Ende der Leitung, dass uns das möglicherweise zu weit draußen sei, dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht: "Really?" Sie wandte sich an uns: "Dieser Gentleman bietet an, Sie hier abzuholen." Das ist ja mal ein Ding! Wir willigten gerne ein.

Kurz darauf standen wir im Nieselregen und lernten Jeff kennen, der in seinem mintgrünen Renault Mégane angerollt kam. Katjas Rucksack als der kleinere von beiden wanderte in den Kofferraum, meiner auf den Rücksitz neben Katja. Und dann saß ich erstmals in einem Auto links vorne, ohne dass mich ein Steuerrad störte. Allerdings schien es mir sehr gefährlich, auf der linken Seite des Straße zu fahren und darauf zu spekulieren, dass das auch alle anderen tun.

Kurz darauf waren wir "etwas außerhalb". Ohne Gepäck wäre das wirklich ein 15-Minuten-Marsch geworden, mit Gepäck vielleicht 20 Minuten. Allerdings haben wir das Haus so viel besser gefunden. Im Haus lernten wir Jeffs Frau Anne kennen. Sie brachte uns durch die Lounge nach oben ins niedliche Dachgeschoss, das wir für uns alleine haben.

Weil ich erwähnt hatte, dass wir noch zum Essen in ein Pub gehen wollten, bot Jeff an, uns hinzubringen. So muss ein B&B sein – Familienanschluss!

Das Pub war ziemlich ungemütlich, das Essen dafür aber gut, wenn auch etwas teuer. 25 Pfund für ein Gulaschgericht, einen Ceasar's Salad und zwei Pint Cider. Morgen wieder? Eher nicht. Nach dem Essen gingen wir zurück zum B&B, statt im Pub zu bleiben und dort Fußball zu gucken. Die Lounge war voll – ein Pärchen mit französischem Akzent und ein Typ saßen da und guckten Tennis. Wir fragten, ob gleich auf Fußball umgeschaltet werde. "Jaja, na klar!" Wir zogen kurz die Regenklamotten in unserem Raum aus und gingen wieder runter. Das Paar war weg, und nur noch der Typ saß da. Fußball lief gleich an: Deutschland gegen die Türkei.

Es war das schlechteste Spiel, das ich seit Jahren gesehen habe.

Glücklicherweise fiel zwischendurch immer wieder das Bild aus, weil in Wien ein Gewitter tobte, das weltweit die Leitungen unterbrach. Während einer solchen Bildpause, in denen die BBC kurzerhand den Radiokommentar einkopelte, schoss Klose das erlösende 2:1. Nachher gewann Deutschland knapp und vollständig unverdient 3:2.

Katja duscht, ich schreibe. Gleich dusche ich und Katja muss lesen. :-)

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