Donnerstag, 10. Juli 2008

Scottish Midge Forecast

Hätte ich das doch nur vorher gewusst – es gibt allen Ernstes eine Website, die sich mit der Midge-Vorhersage beschäftigt. Aber auch die Informationen dieser Website hätten uns sicherlich in Schottland helfen können. Wenn wir die Seite vorher gekannt hätten, natürlich.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Tagebuch-Zeitverschiebung

Normalerweise hätten wir ein Problem: Tagebücher sind chronologisch-linear aufgebaut. Natürlich habe ich das Schottland-Tagebuch entsprechend verfasst, beginnend am 17. Juni, endend am 1. Juli. Aus Schottland habe ich mich aber bereits einige Male gemeldet, so dass nun die Reihenfolge der Einträge, die ich in dieses Blog übernehmen will, sinnlos durcheinandergeraten würde.

Glücklicherweise allerdings kann man in diesem Blog Daten "fälschen". Ich kann heute, am 2. Juli, einen Eintrag machen, der dann so erscheint, als wäre er bereits am 17. Juni erschienen. Vorteil: Alles ist in der richtigen Reihenfolge am richtigen Tag abgespeichert. Nachteil: Ihr, meine lieben Leser, müsst ein bisschen scrollen, um den richtigen Eintrag zu finden. Also:

Das Reisetagebuch Schottland beginnt am 17. Juni! Der erste Eintrag ist bereits gemacht und trägt den Titel "Hannover–Milngavie"!

Sonntag, 29. Juni 2008

Skye und Glasgow

Wir sind tatsaechlich nach Skye gefahren. Von King's House haben wir noch am selben Tag den Bus genommen und sind nach Fort William aufgebrochen. Da haben wir eine Nacht verbracht und sind am naechsten Tag mit dem Bus durch das wunderbare Glen Coe und an der Fjordkueste entlang bis nach Portree gejuckelt.

Das Wetter war leider ziemlich bescheiden. Schon bei der Fahrt nach Portree, dem Hauptort auf Skye, haben wir kaum etwas gesehen. So haben wir uns dann auch das Wandern geschenkt, denn ohne Sicht und im stroemenden Regen Wandern macht nun wirklich keinen Spass. Damit wir nicht bloss in unserem unglaublich netten B&B rumhaengen mussten haben wir uns ein Auto gemietet (Katja ist gefahren) und haben damit die Insel erkundet.

Der Wetterbericht fuer den ersten Tag auf Skye verhiess leichte Bewoelkung. Wir hatten starken Regen. Am zweiten Tag sollte starker Regen ueber uns hereinbrechen - wir hatten leichte Bewoelkung. Traue keinem Wetterbericht auf BBC one.

Sobald man etwas von Skye sehen konnte hat sich der Blick gelohnt. Am zweiten Tag, an dem wir das Auto hatten, und als das Wetter verhaeltnismaessig gut war, haben wir eine richtig schoene Erkundung gemacht. Aber alles hat ein Ende, so auch unser Besuch auf Skye. Von der Suedspitze sind wir mit der Faehre nach Mallaig uebergesetzt und dann von dort per Dampflok (die aus den Harry-Potter-Filmen, danke fuer den Tipp, Gerrit!) von Mallaig nach Fort William gefahren. Von dort sind wir dann direkt weiter nach Glasgow, wo wir jetzt sind.

Lustigerweise treffen wir seit Skye ein deutsches Paerchen immer wieder. Mit ihnen sind wir im Bus von Portree nach Armandale gefahren, haben die Faehre nach Mallaig benutzt, sassen im selben Dampflok-Abteil, fuhren weiter im Regionalzug nach Glasgow und trafen sie im Bahnhof Queens Street wieder, wo sie auf einem Stadtplan die Renfrew Street suchten, in der ihre Herberge und unser Hotel liegen. Und gerade setzen wir uns in dieses Internet-Cafe, und da sitzen die beiden schon wieder da. Am Dienstag kommen wir zurueck; ob wir uns bis dahin noch einmal per Blog melden, weiss ich nicht - das ist eher unwahrscheinlich. Aber spaeter, wenn wir wieder zu Hause sind, trage ich unser Tagebuch nach. Das wird eine Heidenarbeit... Ich glaube, ich lasse Katja tippen :-)

Mittwoch, 25. Juni 2008

Port William — Portree

Schön war es, mal etwas länger zu schlafen! Dafür war mein Frühstück leider nicht so dolle: Das schöne schottische Frühstück schwamm in einer fettigen Wasserlache. Die kalten Toasts hingegen waren wie immer in Ordnung. Als wir vom Frühstück dann zum Zimmer zurückgingen, sahen wir, dass der Regen in den Pfützen Blasen schlug. Darum zogen wir die Rucksackkondome auf, beluden und mit dem Gepäck und checkten aus. Draußen angekommen nieselte es nicht einmal mehr.

Gemütlich latschten wir durch die Fußgängerzone und betraten die Toursitinformation, auf der generellen Suche nach nicht Bestimmtem, jedoch mit der Idee im Hinterkopf, dass man ja – vielleicht im nächsten Jahr? – den Great Glen Way gehen könnte, der hier in Fort William startet und nach Inverness geht. Vor allem aber schauten wir nach Infos zur Insel Skye, denn dort wollten wir ja hin, und zwar nach Möglichkeit mit der Dampflok "The Jacobite", die auch in den Harry-Potter-Filmen digital verändert als "Hogward's Express" für Furore gesorgt hat. Als wir schließlich ohne Karten wieder auf die Straße traten, war da ein ganz süßer Hund mit einem pinkfarbenen Spielzeugring im Maul, mit dem wir unbedingt noch ein paar Minuten spielen und mit seinem Herrchen reden mussten ("If I got as much attention from the ladies as he, I could write a book about it"). Anschließend liefen wir ohne Eile, dafür mit besabberten Fingern in Richtung Bahnhof.

"Sag mal, ist das die Dampflok da hinten, da wo's so raucht?"
"Könnte sein. Die heizen aber bestimmt erst ein. Das braucht immer so lange."

Als wir die Bahnhofshalle von Fort William betraten, verließ "The Jacobite" gerade die Station. Kein Witz. Der nächste Dampfexpress, so erzählte uns die freundliche Wendy hinter dem Schalter, führe dann in 23 Stunden und 59 Minuten. Der nächste normale Zug nach Mallaig ginge um etwa 12:40 Uhr oder so – wir hatten es jetzt kurz nach 10. Also checkten wir erst einmal, ob und wann Busse nach Skye fuhren. Der nächste Bus sollte um 13:40 Uhr fahren, also noch einmal später. Aber wir rechneten mal kurz die beiden Optionen durch:

Der Bus geht direkt nach Portree, mit einer Wartezeit von etwa vier Stunden.
Eine Zugfahrt nach Mallaig bringt nur drei Stunden Warterei mit sich, dort allerdings muss man in die Fähre umsteigen (ungewisse Abfahrtzeiten) und auf Skye angekommen müsste man dann ebenfalls mit einem Bus weiter nach Portree.

Wir entschieden uns dafür, von Anfang an den Bus zu nehmen und setzten uns ins Café des Morrison's-Supermarkts direkt am Busbahnhof. Katja kaufte sich eine britische "InStyle"-Zeitschrift, die mit einer modischen Handtasche der Marke "Elizabeth Hurley" kam. Hätte sie die Cosmopolitan erworben, wären Flipflops dabei gewesen. Ich schrieb währenddessen wieder Tagebuch. Eine Arbeit, vor der sich Katja drückt, wohl, weil sie beruflich so viel zu schreiben hat, was?

Schließlich zogen wir aus lauter Langeweile los und erkundeten den Supermarkt, der die Größe eines kleinen Real-Marktes hatte. Unsere Rucksäcke konnten wir in riesige Schließfächer einschließen, die eigentlich für die vollen Warenkörbe gedacht sind. Da kann Mami also den Einkauf sicher aufbewahren und sich danach ins Café setzen. Schlaue Sache!

Im Endeffekt kauften wir uns ein paar Sandwiches, Kekse und Irn-Bru, den etwas anderen schottischen Nationalsoftdrink, ein knallorangenes Gebräu, das einem laut Reiseführer "beinahe den Schmelz von den Zähnen fräst". Tut es übrigens wirklich beinahe.

Als wir mit Sack und Pack in den wieder heftig eingesetzten Regen hinaustraten, war der Bus schon da. Unser Gepäck verschwand im Kofferraum, wir im Businnern. 22,50 Pfund pro Person von Fort William nach Portree auf Skye. Langsam wird unser Bargeld knapper – wir haben nur noch 150 Pfund.

Die Fahrt mit dem Bus war lang und zog sich. Wegen des wirklich fiesen Wetters hatten wir nur wenig schöne Aussichten, und wegen der Fahrweise des Fahrers vermissten wir auch die Fährfahrt von Mallaig nach Skye nicht – seekrank konnte man auch hier werden. Höhepunkt der Schaukelei war ein 15-Sekunden-Blick auf Eilean Donan Castle in Dornie, wo ein paar Szenen für den Film "Highlander" gedreht worden waren und das zugegebenermaßen wirklich pittoresk ist.

Kurz darauf fuhren wir über die vielleicht 500 Meter lange Brücke, die die kleine Insel Skye mit dem britischen "Festland" verbindet. Dann ging es weiter, meilenweit durch langweilige Regengüsse, die Skye in ödes Einerlei verwandelten. Tristesse heißt Skye. Was reden nur immer alle von den Wundern der Schönheit Skyes?

Endlich in Portree angekommen wandten wir uns schleunigst – es war schon reichlich spät – an das Toursitbüro, um eine zentrumsnahe Unterkunft zu bekommen. Bei einer Einwohnerschaft von 1.900 ist allerdings eigentlich alles zentrumsnah. Problematisch schien zu sein, dass wir uns für drei Nächte festsetzen wollten. Wendy hinter dem Tresen (heißen die Damen hinter einem Schalter alle Wendy?) telefonierte einige Unterkünfte ab und fand schließlich eine für uns, die allerdings "etwas auswärts" läge, ob wir damit einverstanden seien? Wir überlegten hin und her. Etwas außerhalb? Ja, das seien nur etwa 15 Minuten – aber mit Gepäck... Sie sprach noch einmal mit dem Gentleman am anderen Ende der Leitung, dass uns das möglicherweise zu weit draußen sei, dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht: "Really?" Sie wandte sich an uns: "Dieser Gentleman bietet an, Sie hier abzuholen." Das ist ja mal ein Ding! Wir willigten gerne ein.

Kurz darauf standen wir im Nieselregen und lernten Jeff kennen, der in seinem mintgrünen Renault Mégane angerollt kam. Katjas Rucksack als der kleinere von beiden wanderte in den Kofferraum, meiner auf den Rücksitz neben Katja. Und dann saß ich erstmals in einem Auto links vorne, ohne dass mich ein Steuerrad störte. Allerdings schien es mir sehr gefährlich, auf der linken Seite des Straße zu fahren und darauf zu spekulieren, dass das auch alle anderen tun.

Kurz darauf waren wir "etwas außerhalb". Ohne Gepäck wäre das wirklich ein 15-Minuten-Marsch geworden, mit Gepäck vielleicht 20 Minuten. Allerdings haben wir das Haus so viel besser gefunden. Im Haus lernten wir Jeffs Frau Anne kennen. Sie brachte uns durch die Lounge nach oben ins niedliche Dachgeschoss, das wir für uns alleine haben.

Weil ich erwähnt hatte, dass wir noch zum Essen in ein Pub gehen wollten, bot Jeff an, uns hinzubringen. So muss ein B&B sein – Familienanschluss!

Das Pub war ziemlich ungemütlich, das Essen dafür aber gut, wenn auch etwas teuer. 25 Pfund für ein Gulaschgericht, einen Ceasar's Salad und zwei Pint Cider. Morgen wieder? Eher nicht. Nach dem Essen gingen wir zurück zum B&B, statt im Pub zu bleiben und dort Fußball zu gucken. Die Lounge war voll – ein Pärchen mit französischem Akzent und ein Typ saßen da und guckten Tennis. Wir fragten, ob gleich auf Fußball umgeschaltet werde. "Jaja, na klar!" Wir zogen kurz die Regenklamotten in unserem Raum aus und gingen wieder runter. Das Paar war weg, und nur noch der Typ saß da. Fußball lief gleich an: Deutschland gegen die Türkei.

Es war das schlechteste Spiel, das ich seit Jahren gesehen habe.

Glücklicherweise fiel zwischendurch immer wieder das Bild aus, weil in Wien ein Gewitter tobte, das weltweit die Leitungen unterbrach. Während einer solchen Bildpause, in denen die BBC kurzerhand den Radiokommentar einkopelte, schoss Klose das erlösende 2:1. Nachher gewann Deutschland knapp und vollständig unverdient 3:2.

Katja duscht, ich schreibe. Gleich dusche ich und Katja muss lesen. :-)

Dienstag, 24. Juni 2008

Bridge of Orchy – Fort William, 20 Kilometer

Man sollte meinen, dass ein alteingesessenes Hotel gewisse Dinge routinemäßig erledigt. Etwa, seinen Gästen das Frühstück kredenzen. Doch manchmal irrt man sich in seinen Annahmen. Im Bridge of Orchy-Hotel lief einigermaßen alles schief, was beim Frühstück schief gehen kann. Allerdings habe ich den Verdacht, dass das nicht am Hotel selbst lag, sondern an der Dame mittleren Alters, die ein Gesicht zog wie Grotgork, weil sie uns bedienen musste. Es gab also Tassen, aber es gab keinen Tee. Es gab Toast, aber keine Teller. Dann kam Tee, aber Zucker und Milch fehlten. Dann kam ein Teller, aber kein zweiter. Und außerdem kippelte der Tisch wie verrückt. Geschmeckt hat das Frühstück trotzdem, besonders das Porridge.

Wir brachen mit steifen (und mit "Deep Heat"-Salbe eingeschmierten) Achillessehnen um 8:30 Uhr auf, allerdings gaben wir vorher noch unsere Rucksäcke an der Rezeption für Travel-Lite auf. Für acht Pfund pro Tasche sollten sie nun von hier zum King's House Hotel transportiert werden, dem Ziel des Tages.

Von meinem Rucksack hatten wir das Deckelfach gelöst, in das wir unsere Regenhosen und den mit Wasser gefüllten Platypus verstauten. Das Erste-Hilfe-Paket wanderte an den Gurt der vor dem Urlaub gekauften Kängurutasche, in der wir alles Wichtige stets am Mann transportierten: Papiere, Kamera, Müsliriegel, Schmerztabletten und Blasenpflaster.

Noch als wir vor dem Hotel Wasser in den Platypus füllten, attackierten uns die ersten Midgie-Schwärme. Sofort setzten wir unsere in Tyndrum erworbenen Mückennetze auf den Kopf und hatten unmittelbar Ruhe vor den Plagegeistern. Zumindest am Kopf. Die Hände jedoch waren nur bei Bewegung oder Wind Midgie-frei. So zogen wir also los, total lächerlich aussehend mit unseren olivfarbenen Netzen auf den Köpfen.

Als erstes kam ein Hügel, der uns Tags zuvor Sorge bereitet hatte, weil er laut Landkarte ziemlich steil war. Die Höhenlinien lagen ziemlich eng zusammen, und aus dem Druck ging nicht eindeutig hervor, wie steil wir würden gehen müssen. Lustigerweise bereitete uns der Berg keinerlei Probleme. Wir fanden die ganze Tour rauf und runter als ziemlich einfach. Später kamen wir darauf, dass dieses Empfinden möglicherweise ans Fehlen unserer Rucksäcke gekoppelt war.

Es folgte eine wunderbare Wanderung durch die Highlands – ohne Sicht und bei absoluter Windstille. Unsere Sichtweite betrug vielleicht ein Kilometer, vielleicht auch zwei, danach verschwand die Landschaft im Dunst. Die Sonne schien den ganzen Tag nicht, die tief hängenden Wolken lösten sich nicht auf. Dadurch, dass kein Wind blies, erklärten die Midges diesen Tag zu ihrem persönlichen Nationalfeiertag. Und das wiederum hieß, dass wir uns überlegen mussten, wie wir essen und trinken würden, ohne selbst zur Nahrung zu werden. Die Lösung war einfach: Während man sich bewegt, landen die Midges nicht, weil der "Fahrtwind", den man verursacht, offenbar unangenehm für sie ist. Das hieß, dass wir während des Gehens essen mussten. Wir hatten ohnehin nur Müsliriegel dabei, daher war das auch praktikabel. Netz hochklappen (huch! frische Luft!), essen, Netz wieder runterklappen.

Trinken war ebenso einfach. Ein Platypus sieht aus wie eine durchsichtige Capri-Sonne-Tüte mit zwei Litern Fassungsvermögen, nur dass der Inhalt in aller Regel nicht so chemisch schmeckt. Er hat oben etwa da, wo bei der Capri-Sonne der Trinkhalm rein muss, einen Schraubverschluss. Den Verschluss schoben wir unter dem Netz durch und drückten das Wasser einfach nach oben durch den "Trinkhalm". Bis die Midgies diesen Trick raushatten, waren wir nicht mehr durstig.

Auf halber Strecke nervte mich irgendwas in meiner Cargohose am rechten Bein. Ich blieb stehen und öffnete die Hose, um nachzusehen, was das war. Und ach du je - es war der Schlüssel zu unserem Bunkhouse-Zimmer. Ein riesiges Teil, das ich eigentlich hatte abgeben wollen, dann aber in die Tasche gesteckt hatte, um die Hände zum Platypus-Füllen frei zu haben. Was denn nun? Zurücklaufen? Katja hatte zwar ihr Handy mit in der Umhängetasche, aber die Telefonnummer des Hotels lag mit unserem Reiseführer zusammen im Rucksack, der gerade per Lieferwagen durch die Gegend geschaukelt werden dürfte. Obwohl...? Ich hatte ja von Tyndrum aus das Bunkhouse reserviert, also müsste die Nummer doch noch gespeichert sein! Aber – haben wir hier überhaupt Empfang, mitten im Rannoch Moor? Funkmasten konnten wir nirgends sehen. Katja schaltete das Telefon ein. Wir warteten auf die Signalstärke. Eine halbe Minute passierte nichts. Dann: Vodafone UK, volle Leistung.

Ich rief im Bridge of Orchy Hotel an und berichtete über meinen Fund. Dort lachte man nur und sagte, ich sei nicht der erste, dem das passiert sei. Im King's House solle ich den Schlüssel einfach abgeben und per Travel-Lite zurückschicken lassen. Die sind ja mal cool, die Leute.

Weil wir uns ob unserer geschundenen Fersen recht langsam bewegten, überholte uns eine englische Reisegruppe. Keiner von diesen Leuten war gegen Midgies gerüstet, alle wedelten permanent mit den Händen in der Luft herum. Einer sagte im Vorübergehen zu Katja: "I'll give you one thousand Pounds for that hat." Aber da, so fanden wir, wäre er wohl ein bisschen zu billig davongekommen. Schließlich hatten wir noch zehn, elf Kilometer vor uns! (Später stellte sich übrigens heraus, dass die englische Reisegruppe eigentlich eine deutsche Reisegruppe war, und der Typ mit dem 1000-Pfund-Angebot ihr hervorragend deutsch sprechender Reiseleiter.) Außerdem trafen wir unsere erste Reisebekanntschaft wieder, jenem allein reisenden Schotten aus Glasgow, der kurz vor Drymen auf dem Campingplatz geblieben war.

Die Highlands hätten wunderschön sein können, wenn wenigstens ein bisschen Wind gegangen wäre und die Midges vertrieben hätte. So aber steckten wir in unseren Mückennetzen fest, hinter deren dünner Stofflage sich trotz nur 10 oder 13 Grad Außentemperatur eine drückende Schwüle aufbaute. Sogar unsere Brillen beschlugen. Ich setzte meine ab und steckte sie in die Tasche. Im Gegensatz zu Katja bin ich nicht wirklich auf die Sehhilfe angewiesen.

Der Weg lief durch absolute Einsamkeit. Einige Kilometer östlich von uns verlief die Schnellstraße zwischen Glasgow und Fort William, die wir ab und zu sehen, jedoch nie hören konnten. Hätten wir aus irgendeinem Grunde zur Straße gemusst, wären wir aufgeschmissen gewesen. Sie war durch das Moor, das sich insgesamt noch für weitere 30 Kilometer nach Osten erstreckt, so gut wie unerreichbar. Damals in Irland hatten Béla und ich für eine Strecke von nur vierhundert Metern in vergleichbarem Terrain eine satte Stunde benötigt - und hinterher waren wir ziemlich kaputt.

Doch hatten wir gar keinen Anlass, zur Straße zu wollen. Der Weg, auf dem Katja und ich liefen, verlief deutlich oberhalb der Schnellstraße. Er bestand größtenteils aus einer alten Militärstraße der britischen Besatzer und war einigermaßen einfach zu gehen. (Andererseits haben die Römer 1500 Jahre früher bessere und haltbarere Straßen gebaut als die englische Armee im 18. Jahrhundert.) Wir fragten uns, unter welchen Umständen der Weg wohl gebaut worden war. Schottische Sklavenarbeiter? Ausländische Kriegsgefangene? Britische Strafkompanien? In jedem Fall haben die Arbeiter und ihre Aufseher wohl unsäglich unter den Midges leiden müssen.

Schließlich konnten wir unser Etappenziel King's House Hotel von unserem Weg aus sehen: ein weißer Fleck vor einem riesigen Bergmassiv. Links und rechts sonst nichts, nichts, nichts als Ödnis und der Schnellstraße als Verheißung von Zivilisation.

Die Bezeichnung "King's House" zeigt deutlich die schottische Wertschätzung gegenüber englischer Monarchengeschlechter: Als es den Namen erhielt, handelte es sich bei dem Gebäude um eine Viehtreiberunterkunft.

Etwa zwei Kilometer vor dem königlichen Gemäuer steht ein Schild mitten in der Pampa: "Cafe open 9-4". Darunter ein Pfeil nach links, der auf einen kleinen, offenbar frisch angelegten Weg weist. Dort geht es zum größten schottischen Skigebiet, dessen Café eben auch im Sommer offen hat. Wir entschieden uns ob der frühen Stunde, dorthin zu gehen.

Zunächst waren wir die einzigen Gäste in diesem modernen, wenig gemütlichen, aber vollständig aus Holz gebauten Cafékomplex. Doch wie so oft: Kaum hatten wir unsere Soups of the day bestellt (ja, es gab zwei: Carrots and Sweet Potatoes sowie Spicy Sweet Tomatoes; erstere war sehr, sehr gut, letztere schmeckte ein bisschen wie verdünnte Miracolì-Soße) stürmte eine Horde von zwei Leuten das Etablissement. Übrigens gab es hier kostenlosen Internet-Zugang. Um in den Genuss des Bloggens zu kommen mussten jedoch zwei Hürden überwunden werden: Erstens wurde die Geduld auf die Probe gestellt, denn anscheinend hatte es jemand geschafft, einen 386er mit Windows XP auszustatten. Dies war der definitiv langsamste PC, den ich je gesehen habe. Außerdem lag das @-Zeichen nicht da, wo es laut Tastaturbedruckung der englischen Standard-Windows-Tastatur hätte liegen müssen. Da ich Mac-User bin, weiß ich eh nicht, wo bei Windows das @-Zeichen liegt, und dann noch auf einer UK-Tastatur? Das @-Zeichen ist jedoch wichtig zum Bloggen, weil ich hier zur Anmeldung meine E-Mail-Adresse eingeben muss.

Ich behalf mich, indem ich eine Seite aufrief (rödel, rödel), auf der ein @ zu sehen war, kopierte es in die Zwischenablage und setzte es dann an entsprechender Stelle im Login-Fenster wieder ein. Und das alles im 386er-Tempo von 1993. Immerhin konnte ich ein paar Zeilen schreiben.

Unterdessen machte sich Katja Gedanken über die kommenden Tage – und entschied, dass wir die Wanderung beendeten. Allerdings schaffte sie es später, mich davon zu überzeugen, dass das einzig und allein meine Idee gewesen war. Wir verließen das Café und liefen zum zwei Kilometer entfernten King's House Hotel. Draußen tobte ein frischer Wind – die Midges waren gottlob endlich fortgeblasen.

Wir hatten bereits vorher durch Chris und Steve in Erfahrung gebracht, dass das King's House Hotel voll war. Wir wussten auch, dass die daneben gelegene Wiese, auf der man für eine Nacht zelten darf, keinerlei sanitäre Einrichtungen hat und das Hotel dem Zelter nicht zur Verfügung steht. Darum tranken wir einen Tee mit dem Schotten aus Glasgow, den wir in der Bar des Hotels trafen (wo ich den Schlüssel für Bridge of Orchy abgab und mich nach unserem Gepäck erkundigte) und der uns erzählte, er habe sich sein Zimmer bereits im Januar (!!) gebucht, um sicher für diese Nacht unterzukommen. Gegen 17 Uhr verabschiedeten wir uns, schauten auf dem Zeltplatz noch einmal nach Chris und Steve (wo bleiben die denn?) und gingen dann zur Straße, um auf den Bus nach Fort William zu warten.

Die Wolken, die dank des plötzlich aufgetretenen, munteren Windes endlich auch zu sehen waren, weil der Dunst mitsamt den Midges weggepustet worden war, waren phänomenal. Sie türmten sich an den Bergen auf, stiegen empor, krabbelten über ihre Gipfel und sanken auf der anderen Seite wieder herab. Doch dann kam schon der Bus, der uns leider viel zu schnell durch Glen Coe nach Fort William trug.

Glen Coe. Das schönste Tal Schottlands, so sagen viele.
Katjas Erinnerung an Glen Coe ist: grün.
Meine Erinnerung an Glen Coe ist: Berge und Kurven. (Katja hatte im Bus "Extra für dich!" einen Sitz gewählt, von dem aus ich eine großartige Aussicht auf eine, nun ja, recht freizügig bekleidete und wohlgeformte Schottin hatte.)

Fort William ist die größte Stadt der Highlands und eine Touristenfalle, weil es direkt am Fuße des Ben Nevis gelegen ist, dem mit tausendzwohundertirgendwas Metern höchsten Berg der britischen Inseln. Interessanterweise ist der Ben Nevis 300 Tage im Jahr nicht zu sehen, trotzdem ist das Nest voller Bergsteiger und Tagesausflügler. Entsprechend teuer ist hier alles. Das Hotel, in dem wir schließlich Unterkunft fanden, war nichts besonderes, kostete aber 40 Pfund pro Nase. Das Essen, das wir in der Fußgängerzone in einem wenig anheimelnden Restaurant/Pub hatten, war okay bis gut, aber mit über 20 Pfund eigentlich auch zu teuer für Schottland: Katja hatte ein überbackenes Hähnchenschnitzel, ich einen (sehr guten) Angus-Beef-Burger. Dazu kamen zwei Limonaden. Anschließend haben wir noch das Ende des West Highland Ways gesucht und gefunden und ein paar Beweisfotos gemacht. Allerdings ging mir dieser Spaziergang zum Schluss des Tages ganz schön auf den Nerv, genauer: auf die Sehne. Mittlerweile machte ich mit dem rechten Bein derartige, falsche Ausgleichsbewegungen, dass meine ganze rechte Wade hart war und mir das ganze Bein weh tat. Die letzten 500 Meter ins Hotel dachte ich nicht schaffen zu können. Ich humpelte und hinkte, es tat fürchterlich weh. Endlich kamen wir im Hotel an. Unser Zimmer hatte eine Badewanne, das Wasser war heiß und es hatte Druck. Selten habe ich mich so sehr über ein richtig heißes Bad gefreut. Ich stieg hinein (aaaaaaaah!), setzte mich, legte mich ab und blieb erst einmal liegen. Sofort wurde es meinem Bein besser. Ich blieb so lange im heißen Wasser sitzen, bis ich ganz verschrumpelt war und sich Katja beschwerte, weil sie auch noch baden wollte. Aber als sie dann drin saß sagte sie: "Hier gehe ich nie wieder raus!"

Währenddessen lief eine faszinierende Kochshow im Fernsehen. Das Ding hieß "The f-word". Zu Hause muss ich mal nachforschen, was genau das ist. Schließlich (auch Katja war mittlerweile wieder aus der Wanne aufgetaucht) gingen wir ins Bett. "Lass uns morgen mal ein bisschen länger schlafen", sagte Katja noch und stellte den Wecker auf 8 Uhr.

Die Midgie-Saison ist eroeffnet!

Heute sind wir von Bridge of Orchy nach King's House gewandert, das sind knapp 20 km quer durch die Highlands, mitten durch ein Moor, fernab jeglicher Zivilisation. Naja, wir sind noch nicht ganz dort angekommen, aber wir koennen es sehen, das Haus des Koenigs. Es handelt sich um eine alte Viehtreiberunterkunft, die jetzt als Hotel fungiert. Und damit ist es die einzige Unterkunft im Umkreis von 20 km. Es ist voll, deshalb haben wir keine Eile. Im Moment sitzen wir im Cafe von Schottlands einzigem Skigebiet (direkt am King's House, nur 2 km entfernt) und goennen unseren geschundenen Fuessen ein bisschen Ruhe und unseren Ohren eine schoene alte Scheibe von Whitney Houston.

In den Highlands gibt es eine Insektenart, Midgies genannt, die nur unwesentlich groesser als unsere Gewittertierchen sind. Allerdings fressen einen Gewittertierchen im Gegensatz zu Midgies nicht auf. Midgies sind im Prinzip kleine, in riesigen Schwaermen vorkommende Muecken, die kuehles, nicht zu sonniges Wetter moegen. Das heisst, dass sie dann rauskommen, wenn auch Wanderer gern unterwegs sind. Und heute war es ganz schlimm mit den Viechern. Denn es wehte kein bisschen Wind, der sie sonst vertreiben wuerde. Deshalb gibt es wirksamen, mechanischen Schutz: ein feines Netz, das man sich ueber den Kopf und Hut haengt. Sieht total laecherlich aus, sichert aber eine heile Haut. Uns ueberholte ein Schotte, der im Vorbeigehen "I'll give you one thousand Pounds for that hat" sagte. Aber da waere er ein bisschen billig weggekommen, fanden wir.

Sowohl Katjas als auch meine Achillessehne schmerzt, bei ihr links, bei mir rechts, zudem soll das Wetter zunehmend schlechter werden, von daher ueberlegen wir, wie es ab morgen weitergehen soll. Moeglicherweise brechen wir an dieser Stelle ab und fahren mit dem Bus nach Skye?

Montag, 23. Juni 2008

Tyndrum-Bridge of Orchy, 10 Kilometer

Unser Tag begann mit dem Alarm, den ein anderer vor uns in den Radiowecker einprogrammiert hatte: laut und viel zu früh. Mein Bett stand an der Wand, und dort, aus der Spalte zwischen Wand und Bett, kam bei jeder Bewegung eine Wolke modrigen Geruchs emporgestiegen. Wohl ein Tribut an die zimmereigene Dusche und fehlende ausreichende Belüftung. So musste ich, um dem Muff zu entgehen, die ganze Nacht auf der rechten Seite schlafen, dem Fenster zugewandt.

Das Frühstück im Dalkell Cottage Guest House, wie das B&B offiziell heißt, offerierte uns die Dame des Hauses mit dem Satz "Hi, I am Angela, your waitress for this morning." Es gab leckeres Rühr- und Spiegelei, Pilze, Tomaten und Bohnen. Und natürlich den obligatorischen kalten Toast mit Orangenmarmelade. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, könnte man sich glatt daran gewöhnen!

Gemeinsam mit uns frühstückte eine Gruppe von sechs Männern mittleren Alters, die knapp vor uns aufbrachen. Wir, gewitzt wie wir nun einmal sind, nahmen eine Abkürzung und kamen zeitgleich mit dem Sechsmanntrupp dort an, wo der West Highland Way Tyndrum verlässt - obwohl die Herren quasi ohne Gepäck reisten. Wir schafften es sogar für etwa einen Kilometer, vor ihnen zu bleiben, doch schließlich überholte und die erste Zweiergruppe, dann die nächste, und dann schnaufte auch schon der fünfte Herr heran. Dieser Herr trug die Masse zweier Geros mit sich herum. Das Schnaufen war daher verständlich. Wir kamen mit ihm ins Gespräch und erfuhren so, dass die Sechs 20 Jahre lang bei Siemens zusammengearbeitet hatten. Jetzt arbeitete er bei VW, kannte zumindest Hannovers Flughafen und hat in Dresden in der VW-Manufaktur am Bentley gearbeitet.

Schließlich wanderte er weiter, um seine Gruppe einzuholen. Der sechste Mann überholte uns dann auch noch irgendwann (er war ein Nachzügler, weil er noch irgendwas eingekauft hatte). Durch das Gespräch hatten wir gar nicht mitbekommen, wie weit wir schon gelaufen waren, und als wir schauten, hatten wir die halbe Strecke schon rum.

Unser Weg führte uns das erste Mal weiträumig durch das, was wir Mitteleuropäer uns reflexartig als Landschaftsform denken, wenn wir das Wort "Highlands" hören: Berge, grüne Hänge, Schafe, Felsen, Heidekraut, Wasser, Wasser, Sumpf, Wasser. Und plötzlich stehen wir mitten in Bridge of Orchy, unserem Tagesziel. Der Ort beginnt mit einer Bahnstation; direkt angegliedert liegt ein Bunkhouse, dann kommt eine Wellblechhütte (!) mit einem "Post Office"-Schild dran, dann eine verlassene Schule, zwei Wohnhäuser, eine Feuerwache, ein Gemeindesaal, zwei weitere Wohnhäuser, dann das wunderschöne, weiße "Bridge of Orchy"-Hotel. An dieses Hotel angeschlossen ist ein weiteres Bunkhouse. Ein Bunkhouse ist eine Art Jugendherberge der simpelsten Art, oft ohne Verköstigung und ohne Kochgelegenheit, manchmal sogar ohne größere sanitäre Anlagen.

Ich hatte gestern während der Langeweile im Pub von Tyndrum hier angerufen und im Voraus zwei "Bunks", also Kojen, gebucht und per Kreditkarte bezahlt. Wir hatten gedacht, dass wir schön langsam laufen, unseren Füßen ein bisschen Ruhe gönnen und irgendwann am Nachmittag hier eintreffen. Doch es war erst 11 Uhr morgens. Und das Einchecken ins Bunkhouse war aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen erst ab 15 Uhr möglich. Und das hieß: Zeit totschlagen.

Da zum Bunkhouse ein Hotel gehört und zu jedem anständigen Hotel eine Bar hockten wir uns also in die Bar mit Blick auf die Straße und ließen uns von einem hübschen Mädel bedienen, die anscheinend als einzige Schottin einen Kursus in "Wie bediene ich meine Gäste höflich und zuvorkommend?" erfolgreich absolviert hatte. Wir tranken Tee und ließen uns das Lunch-Menü zeigen. Gerade als wir uns Sandwiches bestellen wollten, sagte Katja: "Da sind ja die zwei!" Und richtig: Steve und Chris standen draußen im Sonnenregenschein. Wir winkten sie herein und nahmen unser Lunch gemeinsam. Katja bestellte sich ein Bacon-Lettuce-Tomato-Sandwich (BLT! Katja!), während ich, Gourmet der ich bin, ein Sandwich mit Hähnchen und Zitronenmayo genoss. Das waren definitiv die besten Sandwiches, die wir hier bisher hatten.

Chris hatte sich eine ebenfalls lecker aussehende Gemüselasagne mit einer Extraportion Pommes bestellt. Jetzt muss ich ein paar Worte zu Pommes frîtes und ähnlichen Kartoffelprodukten verlieren.

Es gibt drei Sorten frittierter Kartoffeln, von denen hierzulande zwei Typen ständig gegessen werden. Da wären zum einen die Crisps. Crisps sind Kartoffelchips. Man isst sie aber nicht bloß vor dem Fernseher zu Bier und schlechten Fußballspielen, sondern grundsätzlich auch zum Sandwich. Das amerikanische Wort für Pommes, nämlich "Fries" (kurz für "French fries") hat sich für sehr lange, sehr dünne, sehr knusprige Pommes frîtes eingebürgert. Man bekommt diese Form der Fritten in Schottland jedoch eigentlich nur bei Burger King oder dem (zumindest vom Namen her) reimportierten McDonald's. Doch haben sich diese amerikanischen Riesen im dünn besiedelten Schottland gottlob noch nicht gegen die lokalen Pubs durchsetzen können. Im Pub gibt es dann auch die britischste Form der Kartoffel, und die heißt "Chips". Diese Kartoffelabschnitte sind mindestens so dick wie ein kleiner Finger, selten richtig knusprig, meistens sehr blass und werden aus normalen Haushaltskartoffeln geschnitzt. Gegessen werden diese Chips meist mit Salz und Essig. Gegessen werden sie grundsätzlich zu allem, auch zu mit getrüffeltem Fasan gefüllten Brustfilets von der Wachtel auf Zucchinijulienne an Preiselbeervinaigrette, soweit ich das einschätzen kann. Auf jeden Fall aber auch zu Gemüselasagne.

Die Chips, die Chris zu ihrer Lasagne hatte, konnten schon gar nicht mehr "Chips" genannt werden. Die Dinger waren eher "Chunks". Aber sie waren augenscheinlich lecker, denn obwohl Chris große Augen machte und irgendwas von "das schaff ich nie" murmelte, verschwanden die Dinger eben doch alle. Steve hatte derweil seine eigenen Chips, zusammen mit "battered Haddock". "Battered" ist in diesem Fall mal nicht im Zusammenhang mit "bruised and battered" zu verstehen, obwohl der arme Haddock - zu deutsch Schellfisch - durchaus übel zugerichtet aussehen kann, sondern "battered" bedeutet "in Bierteig frittiert".

Gleich nach dem Lunch gingen die zwei weiter; sie wollten weiter über den als anstrengend gekennzeichneten Hügel hinter dem Fluss Orchy und auf der anderen Seite ins Hotel von Inveroran gehen. Wir verabredeten uns für den Abend des nächsten Tages auf dem Zeltplatz am King's House Hotel zum Campen.

Mittlerweile klagte auch Katja über ihre Achillessehne, allerdings die linke. Unser Mobilat hatte bei mir nicht richtig geholfen, und ich ärgerte mich, dass wir unser tiefenwirksame Hitzepräparat Finalgon zu Hause hatten liegen lassen. So entschieden wir uns, das finanzielle Wagnis einzugehen und unsere beiden Rucksäcke von Bridge of Orchy zum King's House Hotel mit dem Gepäckdienst Travel-Lite vorauszuschicken und ebenfalls nur mit leichtem Gepäck zu gehen (bei meinem Rucksack lässt sich der Deckel abnehmen und als Umhängetasche verwenden). So wollten wir unsere Füße um 15 Kilo entlasten.

Endlich wurde es 15 Uhr und wir konnten ins Bunkhouse einchecken. Und siehe, was lag da in der Vitrine des Check-in-Schalter? Wanderwichtiges Zeugs! Mückennetze, Compeed-Blasenpflaster und – "Deep Heat"-Hitzesalbe. Funktioniert das so wie unser Finalgon? Gekauft! Die Tube kostete drei Pfund, was in Ordnung ging. Außerdem reservierten wir noch für den Abend einen Tisch im Restaurant und hingen draußen ein bisschen ab.

Über die Midges, diese fiesen Viecher, hatten wir mittlerweile einiges in Erfahrung bringen können: Sie mögen Windstille und bedeckten Himmel, auch ein bisschen Regen schreckt sie nicht, aber beim kleinsten Windhauch sind sie verschwunden und mögen auch die Sonne nicht sonderlich. Darum blieben wir von ihnen verschont - die Sonne schien und wir saßen auf einer Parkbank am Fluss Orchy. Im Schatten tanzten die Biester und warteten darauf, dass die Sonne wegging. Aber es wurde schneller Abend als wir gucken konnten. Wir gingen ins Restaurant. Katja bestellte sich die Gemüselasagne, die sie vorher schon bei Chris gesehen hatte. Ich selbst entschied mich für ein Prime Fillet mit Salatbeilage. "How do you like it cooked, sir?" – "Äh, medium, please."

Das Steak kam und sah einfach fantastisch aus. Es war groß und dick, dampfte, war gebettet auf einer dunklen Pfeffersoße und von ein wenig Pfeffer bedeckt. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Dann machte ich den ersten Schnitt - und war entsetzt. Das Fleisch war beinahe komplett durchgebraten, bis auf den Kern, in dem noch ein rosa Schimmer zu erkennen war. Welche Enttäuschung! Wie kann man ein so tolles Stück Fleisch so schlecht grillen? Das kann man doch nicht mehr essen!

Gerade noch rechtzeitig vor meiner Beschwerde kam mir die Erkenntnis: Es war *mein* Fehler. Bei uns im Steakhaus bestellt man "englisch", medium" oder "durch". Im Land des Steaks aber gibt es nicht nur diese drei Stufen - es gibt ihrer acht. Richtig hätte ich "medium rare" bestellen müssen. Also zuckte ich die Schultern und biss ins für meinen Geschmack viel zu durchgebratene Fleisch.

Ich habe erst ein einziges Mal ein so gutes Steak gegessen wie im Bridge of Orchy Hotel, und das war an Bord eines Flugzeugs. Mit den Worten "It has been superb" schickte ich die Kellnerin in die Küche.

Anschließend tranken wir an der Bar noch je einen Whisky. Katja hatte einen mir völlig unbekannten Highland Malt namens Deanston, ich einen Speyside Malt, dessen Namen ich leider gleich wieder vergessen habe. Schließlich ließen wir uns nach einer Dusche von den Midges im Badezimmer des Bunkhouses zerstechen, schmierten die Hitzesalbe auf die Fersen und gingen ins Bett.