Donnerstag, 5. Juni 2008

Geschenkt: Eine Woche Lebenszeit

Eine lustige kleine Geschichte, die sich gestern ereignet hat, möchte ich euch gerne erzählen. Allerdings muss ich dazu ein bisschen ausholen.

Seit dem 26. Mai arbeite ich in den Räumlichkeiten eines Kunden an einem etwas größeren Projekt. Ursprünglich ging es um die Gestaltung einer Zeitschrift bis zum 16. Juni. Am 17. Juni, also nur einen Tag nach Drucklegung, fliegen Katja und ich dann nach Schottland. Kaum hatte ich mit meiner Arbeit an dem Magazin begonnen, stellte sich heraus, dass diese Zeitschrift dann noch für ein zweites Erscheinungsgebiet umgebaut werden und ein großer Teil neu erstellt werden muss – sagen wir also, dass ich gut anderthalb Zeitschriften statt nur einer zu gestalten hatte – und das im gleichen Zeitraum, in einer neuen Arbeitsumgebung mit unbekannter Serverarchitektur und mit einem für mich unüblichen Programm (nämlich Quark XPress, das ich seit drei Jahren zu Gunsten von Adobe InDesign nicht mehr nutze). Also geriet ich plötzlich unter einen gewissen Druck.

Der Aufbau der beiden Zeitschriften ging eigentlich ganz gut voran, ich erinnerte mich täglich mehr an die Shortcuts von XPress, und gestern war ich im Prinzip mit beiden Heften fertig (bis auf einige noch nicht gelieferte Anzeigen und problematische Bilder), aber irgendwie wunderte ich mich dennoch über den vollkommen entspannten Zustand meiner Auftraggeber, denn noch war die angekündigte, abschließende Redaktionskonferenz nicht erfolgt, das Layout war nur grundsätzlich, nicht aber endgültig freigegeben, die Bilder sollten noch von einer kundeneigenen Bildbearbeiterin feingeschliffen werden, und insgesamt machte ich mir schon Sorgen, ob das alles noch zu schaffen ist bis einschließlich Montag. Denn Dienstag wollen wir ja in den Urlaub gehen!

Na gut, jetzt zur Geschichte.

Vor zwei Tagen entdeckte ich bei Amazon endlich eine vernünftige Wanderkarte zum West Highland Way, die ich bestellte, und zwar per Expressversand für sechs Euro mehr, damit wir sie noch pünktlich bekämen. Und gestern Abend zickte ich Katja an, dass ich ja wohl der Einzige hier sei, der sich um die Urlaubsplanung kümmerte, Bücher lese, Karten bestellte, dass ich jetzt endlich mal die Ausrüstung probeweise zusammenpacken will, denn so viel Zeit bliebe ja gar nicht mehr. Und am Wochenende zu meinem Vater, um Spargel zu essen? Allenfalls, um das Zelt aufzustellen und die Nähte mit Silikon abzudichten, aber zum Essen würden wir mit Sicherheit keine Zeit haben!

Katja guckte mich mit großen Augen an und war wohl auch etwas pikiert meines Tonfalls wegen. Und dann sagte sie: "Wir fliegen doch erst am Siebzehnten." Genau, war meine Antwort, am Dienstag. "Ja, aber wir haben doch heute erst den Vierten…" – Jetzt war ich an der Reihe, große Augen zu machen! Irgendwie war mir seit zwei Wochen so, dass schon nächste Woche der 17. Juni wäre. Und plötzlich stellte sich auch bezüglich meines Auftrags beim Kunden die totale Entspannung ein: Ich bin nicht zwei Tage im Voraus fertig mit dem Projekt, sondern zwei Tage und eine ganze Woche. Ob das eine gute Visitenkarte ist, die ich bei diesem Kunden hinterlasse?

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