Donnerstag, 19. Juni 2008

Drymen-Cashel, 16 Kilometer

Am meisten schmerzte an diesem Morgen meine rechte Achillessehne. Sollte es gestern vielleicht doch ein wenig zu heftig gewesen sein? Mehr als 20 km gleich am ersten Tag war vielleicht doch ein bisschen zu heftig. Immerhin bewege ich insgesamt 105 Kilogramm an Masse durch die Gegend. Aber später, nach dem ersten kräftigen Regenguss, nach dem Anziehen des kompletten Regengeraffels, dem darauf beinahe folgenden Hitzschlag durch starke Sonneneinwirkung, nach etlichen Aufs und etlichen Abs, nach dem Auf- und dem Abstieg auf und vom Conic Hill sowie einem anschließenden Marsch von weiteren sechs Kilometern gab es nur wenige Quadratzentimeter meines Körpers, die nicht ebenso sehr schmerzten wie die Achillessehne. Die Fingernägel zum Beispiel taten nicht so doll weh. Auch Zahnschmerzen hatte ich nicht.

Katja ging es ebenso, aber ihr geschieht es wenigstens recht, denn sie wollte unbedingt auf den "nur" 350 Meter hohen Conic Hill, statt die bequemere Alternativroute zu gehen. Conic Hill ist nicht etwa konisch. Der Name stammt - etwas anders geschrieben - aus dem Gälischen und bedeutet in etwa "der Morastige". Das ist allerdings ein Merkmal, das nur auf den zweiten Blick offenbar wird. Hätte ich als Kelte das Recht gehabt, den Berg mit einem Namen zu belegen, so hätte ich ihn wohl eher "der Liebernichtmitvielgepäckzubesteigende" genannt. Denn er ist steil. Er ist sehr steil. Wir sind die weniger anstrengende Seite hochgestiegen, dafür hatten wir dann den Zonk beim Abstieg über unebene Stufen mit viel zu großer Schrittweite oder über felsiges Geröll.

Als wir endlich mit zitternden Knien unten im Ort Balmaha ankamen, hätten wir beinahe beide Lobpreisungen an den HERRN angestimmt. In Balmaha gab es ein Pub namens "Oak Tree Inn" (Motto: "Muddy Boots are Welcome"). Es war uns schon von einem Paar aus Leeds empfohlen worden, die in Drymen neben uns gefrühstückt hatten und die wir im Verlauf des Tages zweimal trafen. Hier versorgten wir uns für wenig Geld mit reichlich Sandwiches (die werden hier meistens mit Kartoffelchips gereicht - seltsame Sitte), dann ging es weiter ans Ufer des Loch Lomonds. Das Loch Lomond (Loch spricht sich übrigens *nicht* "Lok", sondern tatsächlich wie ein richtiges, deutsches "Loch") ist Schottlands größter See, und ein Loch kann fast alles sein, was mit Wasser zu tun hat: ein schmaler See, ein breiter See, ein runder See, ein Fjord, eine längliche Meeresbucht. Und wir liefen ab sofort an seinem Ufer entlang. Zunächst für vier Kilometer, wo der erste Campingplatz lag. Doch wir entschieden uns demokratisch in einer Urabstimmung dafür, zum nächsten Platz weiterzugehen, der nur zwei Kilometer entfernt war.

Hätten wir es mal gelassen.

Der West Highland Way hatte von nun an einige Überraschungen in Sachen plötzlicher Auf- und Abstiege in petto. Gleichzeitig wurde der Wind, der schon den ganzen Tag über heftig geweht hatte, immer stärker. Als wir schließlich nach nur 16 km Marsch (okay, über einen fiesen Berg rüber) am Campingplatz ankamen, waren wir beide ziemlich fertig. Wir bauten unser Zelt auf (laut Hersteller geht das auch bei starkem Wind mit nur einer Person, und was soll ich sagen: Es stimmt! Allerdings machten wir das dennoch zu zweit), verstauten die Sachen und begannen, Essen zu kochen.

Traditionell hätte es eine Dose Ravioli pro Person geben müssen, aber diese Tradition hat ein echt gewichtiges Problem. Statt also Konserven zu schleppen hatten wir vorab Convenience-Food gekauft, also diese Nudelgerichte in Tüten, die man in Wasser kippt und ein bisschen kocht. Die machen satt, schmecken besser als das Zeug aus den Bundeswehr-EPAs und sind verhältnismäßig klein und leicht. So gab es denn also Spiralnudeln in Bolognesesoße - und die haben fast geschmeckt wie meine geliebten Ravioli. Und sie sahen auch fast so aus.

Nach dem Essen und dem Abwasch ging es unter die heiße Dusche. Dieser Campingplatz hat richtig schöne, saubere Sanitäreinrichtungen, die nicht nur gut aussehen und funktional sind, sondern die auch noch gut riechen. Und sie sind Code-gesichert. Den Code gab es beim Einchecken.

Heute läuft Fußball: Deutschland gegen Portugal. Da Deutschland vermutlich eh keine Chance hat, sparen wir uns die zwei Meilen zum nächsten Pub. Statt dessen gehen wir lieber pennen. Vielleicht hilft das, der Muskelschmerzen Herr zu werden? Besonders schlimm sind momentan die Schultern wegen des Gewichts des Rucksacks. Und natürlich die Achillessehne.

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